Musikschaffende der Gegenwart sind konfrontiert mit der totalen Verwertung ihrer Kunst im Horizont der Kulturindustrie. Was sich als künstlerische Autonomie geriert, ist allzu oft bereits das Resultat standardisierter Produktionsschemata, die in ihrer scheinbaren Vielfalt nichts als Varianten des Immergleichen erzeugen. Die formale Auflösung, die Reizästhetik, die affirmative Klangpolitik – all dies ist Ausdruck des verdinglichten Hörens.

Demgegenüber muss ein neues musikalisches Ethos entstehen, das sich dem falschen Schein widersetzt – nicht durch Flucht in die Konvention, sondern durch kritische Arbeit an der Form. Musik, die als Kunst bestehen will, darf nicht gefallen wollen. Sie muss Widerstand leisten: gegen das reibungslose Funktionieren, gegen die instantane Identifikation, gegen die Regression des Hörens.

Produktive Negativität, nicht affirmative Gefälligkeit, ist das Signum wahrer musikalischer Praxis. Einzelmomente sind am Ganzen zu brechen – nicht, um Einheit zu suggerieren, sondern um sie kritisch in Frage zu stellen. Die Form darf nicht bloß organisiert, sondern muss als ästhetische Totalität gedacht und erlitten werden – im Sinne einer Kritik durch ästhetische Mittel.

Anlehnend an Mahler, bei dem selbst das Vernutzte noch einmal glüht, oder an Schönberg und Webern, deren Konstruktion als Ausdruck innerer Notwendigkeit erscheint, ist das künstlerische Ziel nicht das Fortschreiten im technischen Sinne, sondern die Bewahrung von Wahrheit durch die Form. Wahrheit gibt es nur dort, wo nicht das Mögliche gefeiert, sondern das Unmögliche erinnert wird.

Musik, die sich heute selbst noch ernst nimmt, muss scheinen, als wäre sie gegen sich selbst komponiert – gegen ihre Verwertbarkeit, gegen ihre Appropriation, gegen ihre bloße Reproduzierbarkeit.

Denn nur in der Verweigerung liegt Hoffnung.

Sabine Donnerstag, März 2025


Bild: „Listening I“ aus der Serie „Variety is not an option“
Digitaldruck auf Aludibond, 100 x 100 cm, 2025

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