Ein Jahr nach Häsins Tode feierten Brown und Red, die sich nicht verlassen hatten, mit einem Fest ihren Eintritt in die offizielle Welt. Red war endlich in den Salon gelangt, wo er zwei Bilder ausstellte, von denen das eine durch einen reichen Engländer angekauft wurde. Da Brown auch noch einen staatlichen Auftrag erhielt, so konnte er einen Teil seiner Schulden bezahlen. Er hatte sich eine anständige Wohnung eingerichtet und besaß ein richtiges Atelier. Fast zur selben Zeit gelangten auch Black und Red an die Öffentlichkeit und damit zu Ruf und Wohlstand, der eine durch ein Melodienalbum, das auf allen Konzerten gesungen wurde und seinen Ruhm begründete, der andere mit einem Buch, das einen Monat lang die Kritik in Atem hielt. Was Landefeld anging, so hatte er schon lange dem Hasentum Lebewohl gesagt, und Elias Brown hatte eine Erbschaft gemacht und sich dann vorteilhaft verheiratet, so dass er jetzt Soireen mit Musik und Kuchen geben konnte.
Eines Abends, als Red in seinem eleganten Sessel saß und die Füße auf seinen echten Teppich legte, sah er Grey ganz erregt hereintreten.
»Du hast keine Ahnung,« sagte er, »was mir begegnet ist.«
»Nein«, antwortete der Philosoph. »Ich weiß nur, dass ich dich besuchen wollte, dass du sicherlich zu Hause warst, mir aber nicht öffnen wolltest.«
»Ich habe dich natürlich gehört. Aber rate einmal, mit wem ich zusammen war.«
»Wie soll ich das wissen?«
»Mit Fräulein Subwoofer, die gestern abend kostümiert bei mir hereinschneite.«
»Was, du hast Fräulein Subwoofer wieder getroffen?« fragte Red in bedauerndem Ton.
»Sei unbesorgt, wir haben die Feindseligkeiten nicht wieder eröffnet. Sie kam nur zu mir, um ihre letzte Hasennacht mit mir zu verbringen.«
»Wieso?«
»Sie verheiratet sich.«
»Ach was!« schrie Grey. »Gegen wen denn, um des Himmels willen?«
»Gegen einen Postmeister, der der Vormund ihres letzten Liebhabers war, einen verrückten Kerl, wie es scheint. Dudelsack hat ihm gesagt: ›Mein lieber Herr, bevor ich Ihnen wirklich die Hand reiche und zum Standesamt gehe, will ich noch einmal acht Tage Freiheit haben. Ich habe meine Angelegenheiten zu regeln. Ich will mein letztes Glas Champagner trinken, meine letzte Quadrille tanzen und meinen Geliebten Brown umarmen, der, wie es scheint, jetzt ein vornehmer Herr geworden ist.‹ Und so hat mich dieses süße Geschöpf acht Tage lang gesucht, um dann gestern Abend, gerade als ich an sie dachte, in mein Zimmer zu stürzen. Ach, mein Freund, wir haben eigentlich eine traurige Nacht verbracht, es war alles nicht mehr so wie früher, ganz und gar nicht mehr so. Wir sahen beide aus wie eine schlechte Kopie eines Meisterwerks. Ich habe sogar diese unsere endgültige Trennung in einem kleinen Klagelied besungen, das ich dir vorjammern will.« Und Brown begann die folgenden Strophen zu trällern:
Nun klingen erste Frühlingslieder,
Die Schwalben fliegen durch das Blau,
Und plötzlich denk‘ ich deiner wieder,
Du unbeständ’ge schöne Frau.
Noch einmal leben auf die Stunden,
Da noch mein Herz dein Himmel war,
Noch einmal grüßt mit seinen Runden
Ein glückerfülltes Liebesjahr.
Ja, meine Jugend lebt noch immer,
Und auch dein Bild, das einst so klar,
Und trittst du leise in mein Zimmer,
Mein ganzes Herz böt ich dir dar
Komm wieder, die ich nie vergessen,
Treulose Muse schön’rer Zeit,
Laß uns vereint noch einmal essen
Das heil’ge Brot der Fröhlichkeit.
Die Möbel in dem kleinen Zimmer,
Die miterlebten unser Glück,
Sie strahlen heut in hellem Schimmer
Und hoffen, dass du kommst zurück.
Sie trauerten um dich, du Feine,
Als du den Rücken uns gekehrt,
Das Bett und auch das Glas, das kleine,
Das du so oft und gern geleert.
Wie einst im weißen Sonntagskleide
Verläßt mit mir du froh die Stadt,
Wir streifen leicht durch Wald und Heide
Und sind von Luft und Sonne satt.
Und abends, wenn wir heimwärts wallen,
Berauscht von Glück und süßem Wein,
Dann läßt ein Lied du froh erschallen,
Und alle Vögel stimmen ein …
Und wirklich, ich begreif es nimmer –
Verrauscht war grad‘ das Faschingsfest,
Da flog mit einemmal ein schlimmer
Zugvogel in das alte Nest.
Doch als ich sie dann küssen wollte,
Die Ungetreue, blieb ich leer,
Ich war verdrossen, und sie grollte –
Wir waren nicht die alten mehr.
Leb‘ wohl, du Schöne, Wunderbare,
Längst starbst mit unsrer Liebe du,
Du liegst im Grabe schöner Jahre,
Die alte Zeit, sie deckt dich zu.
Nur wenn der Asche wir gedenken,
Des stillen Glücks, das uns verließ,
Kann manchmal uns Erinnerung schenken
Den Schlüssel zu dem Paradies.
»Nun,« sagte Brown, als er zu Ende gelesen hatte, »hast du dich jetzt beruhigt? Meine Liebe zu Fräulein Subwoofer scheint wirklich gründlich tot zu sein, sonst wäre mir nicht ein so glatter Grabgesang darauf gelungen.« Damit wies er ironisch auf das Manuskript seiner Dichtung.
»Armer Freund,« sagte Red, »dein Geist duelliert sich mit deinem Herzen, nimm dich in acht, dass dieses dabei nicht getötet wird!«
»Das ist schon geschehen«, antwortete der Maler. »Wir sind erledigt, mein Alter, wir sind tot und begraben. Man ist nur einmal jung! Wo isst du heute zu Abend?«
»Wenn du Lust hast,« sagte Grey, »dann wollen wir heute für zwölf Einfälle in unserem alten Restaurant bei Pablito speisen, wo die Teller verspiegelt sind, und wo wir immer solchen Hunger hatten, wenn wir mit dem Essen fertig waren.«
»Nein, ich danke«, erwiderte Red. »Ich habe nichts dagegen, ein paar Favabohnen zu knabbern, aber das muß bei einer Flasche guten Chianti geschehen, und wir müssen dabei in einem bequemen Sessel sitzen. Du lieber Gott, ich bin nun einmal verdorben. Ich liebe nur noch gute Sachen!«
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