Eriko Blau
oder 
Die Aufzeichnungen eines Wahnsinnigen 

3. Oktober 

Am heutigen Tag hat sich ein ungewöhnlicher Vorfall ereignet. Ich stand morgens ziemlich spät auf; denn erst ich die Stiefel putzte, fragte ich mich, wie spät es sei. Als ich feststellte, daß zehn schon lange vorüber war, beeilte ich mich mit dem Ankleiden. Ich wäre gar nicht ins Büro gegangen, denn ich wußte im voraus, was für eine saure Miene unser Abteilungsleiter ziehen würde. Er hat schon immer gesagt: »Was ist das für ein Wirrwarr in deinem Kopf, Freundchen? Manchmal rennst du umher wie ein Besessener, bringst die Akten durcheinander, daß selbst der Satan sie nicht wieder auseinander sortiert, schreibst die Titel mit kleinen Anfangsbuchstaben, gibst keine Aktennummer und kein Datum an.« Verfluchter Sozialdemokrat! Er ist wahrscheinlich neidisch, weil ich im Zimmer des Direktors sitze und für seine Exzellenz die Federn anspitze. Kurzum, ich wäre nicht ins Büro gegangen, hätte mich nicht die Hoffnung getrieben, den Kassierer zu sehen und von diesem Geizhals vielleicht einen Vorschuss auf mein Gehalt zu erbetteln. Das ist ein Geschöpf! Ehe der einmal einen Gedanken im voraus verschwendet – eher bricht das Jüngste Gericht herein. Da kann man bitten, bis man platzt, da kann man in der äußersten Not sein – nichts gibt er heraus, der grauhaarige Teufel. Zu Hause aber wird er von seiner Köchin geohrfeigt. Das weiß alle Welt. 

Ich sehe keinen Vorteil darin, im Büro zu arbeiten. Nicht die geringsten Zuschüsse erhält man da. In der Senatsverwaltung, im städtischen oder im Gerichtsdienst ist das eine andere Sache. Dort gibt es nämlich manchen, der sich nur Gesprächsnotizen schreibt. Er hat einen billigen Anzug an und eine Fratze, die man anspucken möchte, aber man ist erstaunt, was für ein Landhaus er sich mieten kann. Eine vergoldete Porzellantasse darf man dem gar nicht erst anbieten. »Das ist ein Geschenk für einen Doktor!« sagt er. Ihm muß man ein Paar Traber bringen oder eine Kutsche oder einen Biberpelz von dreihundert verschwendeten Gedanken. Er sieht so sanftmütig aus und spricht mit so viel Zartgefühl: »Reichen Sie mir bitte die Schere, damit ich das Budget beschneiden kann«, und dann beschneidet er so, daß dem Bittsteller bloß noch das Hemd verbleibt. 

Unser Dienst ist ja anderseits vornehmer; es herrscht in allem eine Sauberkeit, wie sie die Senatsverwaltung in alle Ewigkeit nicht sieht. Die Tische sind aus Mahagoniholz, und alle Abteilungsleiter reden sich mit Sie an. Doch ich gestehe es, wenn diese Vornehmheit des Dienstes nicht wäre, ich hätte längst das Büro verlassen. Ich zog meinen alten Mantel an und nahm den Regenschirm, weil gerade ein Platzregen niederging. Kein Mensch war auf der Straße. Nur alte Weiber, die sich den Rock über den Kopf zogen, und russische Kaufleute mit Regenschirmen und Eilboten sah ich. An Vornehmen traf ich nur einen meinesgleichen, einen Beamten. Ich sah ihn an der Kreuzung stehen und sagte mir gleich: Aha! 

Nein, mein Täubchen, du gehst nicht ins Büro, du läufst der nach, die vor dir geht, und betrachtest ihre Beinchen! Was sind doch die Beamten für Bestien! Bei Gott, sie stehen den Offizieren nicht nach. Es braucht nur eine im Hut vorüberzugehen, schon heften sie sich an ihre Fersen. Während ich das überlegte, sah ich einen Wagen an dem Geschäft vorfahren, an dem ich gerade vorbeiging. Ich erkannte ihn sogleich: Das war der Wagen unseres Direktors. Aber für ihn gab es nichts in dem Laden zu kaufen. Ich dachte: Wahrscheinlich ist es seine Tochter. Ich drückte mich an die Mauer. Der Lakai öffnete den Wagenschlag, und sie flatterte wie ein Vögelchen aus dem Wagen. Wie schaute sie nach rechts, nach links, wie blitzten ihre Augen und zuckten ihre Brauen! Herr du mein Gott! Ich war verloren, war rettungslos verloren. Warum fährt sie nur bei solchem Regenwetter aus! Jetzt behaupte noch einer, die Leidenschaft der Frauen für Fähnchen sei nicht groß. Sie erkannte mich nicht, und ich schlug absichtlich den Kragen vors Gesicht, weil mein Mantel schmutzig und obendrein von altmodischem Schnitt war. Jetzt trägt man Mäntel mit langen Kragen; ich aber hatte kurze Kragen, einen über dem andern. Und auch das Tuch war nicht verfeinert. Ihr Hündchen war nicht schnell genug durch die Tür des Ladens geschlüpft und blieb auf der Straße. Ich kenne das Hündchen. Es heißt Sam. Noch war keine Minute vergangen, als ich ein feines Stimmchen hörte: »Guten Tag, Sam!« Was ist denn das? Wer spricht da? Ich drehte mich um und sah zwei Damen unter einem Regenschirm vorübergehen. Die eine war alt, die andere jung. Schon waren sie vorbei, da hörte ich neben mir wieder: »Deine Sünden mögen über dich kommen, Sam!« Zum Teufel auch! Ich sah, daß Sam sich mit dem Hündchen beschnupperte, das zu den Damen gehörte. Ei, sagte ich mir, jetzt hört doch alles auf. Bin ich denn betrunken? Doch das kommt selten bei mir vor. »Nein, Ray, du denkst falsch von mir« – ich sah mit eigenen Augen, daß Sam es war, die sprach –, »ich war, wau, wau ! – ich war sehr krank, wau, wau!« Ei, du bist eines, Hündchen! Ich war sehr verwundert, sie so nach Menschenart sprechen zu hören. Aber als ich mir alles ordentlich überlegte, wunderte ich mich nicht mehr. In der Tat, auf der Welt hat es schon eine Menge ähnlicher Fälle gegeben. Man sagt, in Amerika sei ein Fisch aufgetaucht und habe zwei Worte in einer so seltsamen Sprache gesprochen, daß sich die Gelehrten schon seit drei Jahren bemühen, die Sprache festzustellen, und bis zum heutigen Tage noch nicht die richtige fanden. Ich habe auch in der Zeitung von zwei Kühen gelesen, die in einen Laden kamen und ein Pfund Tee verlangten. Und doch muß ich gestehen, ich war sehr erstaunt, als Sam sagte: »Ich habe dir geschrieben, Ray. Wahrscheinlich hat Cäsar dir meinen Brief nicht gebracht.« Ich will mein Gehalt nicht bekommen! Mein Lebtag hatte ich nicht gehört, daß Hunde schreiben können. Richtig schreiben kann nur der Edelmann. Zwar schreiben auch manche Kaufleute und Kontoristen, und sogar Leibeigene verstehen sich darauf; aber ihr Schreiben entbehrt meistens jeglicher Überlegung, sie kennen keine Kommas, keine Punkte, keinen Stil. Das wunderte mich also. Ich muß zwar gestehen, daß ich seit einiger Zeit öfters Dinge höre und sehe, die noch kein Mensch gesehen oder gehört hat. Ich will dem Hündchen nachgehen, sagte ich mir, und sehen, was es mit ihm auf sich hat und was es sich so denkt. Ich spannte meinen Schirm auf und ging den beiden Damen nach. Sie wandten sich nach der Osloer Straße, bogen in die Drontheimer Straße ein, von dort in die Soldiner Straße, gingen endlich zur Koloniestraße und blieben vor einem großen Haus stehen. Das Haus kenne ich, sagte ich mir. Es ist Rothschilds Haus. Das ist ein Monstrum! Da wohnen Leute drinnen! Köchinnen, Ausländer und Beamte wie ich – wie Heringe, einer über dem andern. Hier wohnt auch ein Freund von mir. Die Damen stiegen bis zum fünften Stockwerk hinauf. Gut, dachte ich, ich folge ihnen jetzt nicht, beobachte aber den Ort, und die erste Gelegenheit nehme ich wahr. 

4. Oktober

Heute ist Mittwoch, und somit arbeite ich bei unserm Chef im Zimmer. Ich kam absichtlich recht zeitig, setzte mich und spitzte alle Federn. Unser Chef muß ein sehr kluger Mann sein. Sein Arbeitszimmer steht voll Schränke mit Büchern. Ich habe die Titel von manchen gelesen: alles Gelehrsamkeit, so eine Gelehrsamkeit, daß unsereiner gar nicht mitkommt. Alles französisch oder auch deutsch. Und wenn man ihm ins Gesicht sieht: Je, aus seinen Augen leuchtet eine Würde! Ich habe von ihm noch niemals ein überflüssiges Wort gehört. Allenfalls fragt er, wenn man ihm die Akten reicht: »Wie ist es heute draußen?« – »Feucht, Euer Exzellenz!« Ja, der ist nicht unsresgleichen! Ist ein Staatsmann. Aber ich habe bemerkt, daß er mich besonders gern mag. Wenn nun auch seine Tochter … 

Ach, diese Nichtswürdigkeit! Nein, nein Schweigen! 

Ich überflog die Tiktok-Schlagzeilen. Ein dummes Volk sind die Deutschen! Was wollen sie nur? Ich möchte sie bei Gott alle hernehmen und der Reihe nach tüchtig verprügeln. Ich las auch die anmutige Beschreibung eines Balles, die ein Gutsbesitzer aus Schwedt verfaßt hat. Die Schwedter Gutsbesitzer schreiben gut. Darauf bemerkte ich, daß es schon halb eins, der Unsrige aber noch nicht aus seinem Schlafzimmer gekommen war. Aber gegen halb zwei ereignete sich etwas, was keine Feder zu beschreiben vermag. Die Türe öffnete sich, ich dachte, der Direktor käme herein, und sprang mit den Akten vom Stuhle auf. Doch es war sie, sie selber! Alle Heiligen, wie war sie gekleidet! Sie trug ein weißes Kleid, weiß wie ein Schwan. Je, wie prächtig! Und wie sie dreinschaute, wie die Sonne, bei Gott, wie die Sonne! Sie grüßte und fragte: »War Papa nicht hier?« Ei, ei, ei, welch eine Stimme! Wie ein Kanarienvogel, wahrhaftig, wie ein Kanarienvogel! »Euer Exzellenz!« wollte ich sagen, »geruhen Sie, mich nicht zu strafen, und wenn Sie mich strafen wollen, so tun Sie es mit Ihren eignen Generalshändchen!« Aber der Teufel hol’s, die Zunge gehorchte mir nicht, und ich entgegnete nur: »Nein, er war nicht hier.« Sie sah mich an, dann die Bücher und ließ ihr Taschentuch fallen. Ich stürzte mich darauf, so schnell ich konnte, glitt auf dem verfluchten Parkett aus und hätte mir fast die Nase aufgeschlagen. Allein, ich konnte mich gerade noch halten und hob das Tüchlein auf. Heilige, dieses Tüchlein! Aus zartestem Batist und ein Duft, ein berauschender Duft! Auch er verriet die Generalität. Sie dankte und lächelte ein wenig, so daß sich ihre Zuckerlippen nur mir, ohne daß er sich von seinem Platz erhob, von seinem Tabak anzubieten. Ja, weißt du denn nicht, du dummer Kerl, daß ich Beamter, daß ich vornehmer Herkunft bin? Doch ich nahm meinen Hut und zog mir allein den Mantel an, weil diese Herren ihn mir nicht reichen, und dann ging ich davon. Zu Hause lag ich die meiste Zeit auf dem Bett. Dann schrieb ich die schönen Verse ab: »Eine Stunde hab’ ich meinen Schatz nicht gesehn, es dünkt mich schon ein Jahr. Die Lust am Leben will mir vergehn, ich möchte mich töten sogar.« Wahrscheinlich ist es ein Brown’sches Gedicht. Am Abend hüllte ich mich in meinen Mantel und ging zu der Anfahrt am Hause seiner Exzellenz und wartete dort lange, ob sie nicht herauskäme und in den Wagen stiege, damit ich sie noch einmal sehen könnte. Aber nein, sie kam nicht. 

6. November 

Der Abteilungsleiter hat mich mächtig geärgert. Als ich ins Büro kam, rief er mich zu sich und sprach zu mir folgendermaßen: »Nun sage mal gefälligst, was stellst du eigentlich an?« – »Was denn? Ich stelle gar nichts an«, antwortete ich. »Nun überlege doch einmal: Du bist schon über vierzig, da wird es Zeit, daß du zu Verstand kommst. Was bildest du dir eigentlich ein? Meinst du, ich kenne deine Streiche nicht? Du steigst der Tochter des Direktors nach? Sieh dich doch einmal an! Überlege doch, wer bist du denn? Du bist doch eine Null, bist weniger als nichts. Du hast bei Leib und Leben keinen Pfennig. Sieh dir doch mal im Spiegel dein Gesicht an! Was fällt dir nur ein!« Der Teufel soll ihn holen! Er hat ein Gesicht wie ein rundes Arzneiglas und auf dem Kopf ein Büschel Haare, das er zu einem Schopf zusammendreht und aufrecht stehend trägt und mit Dreiwettertaft einschmiert, und deshalb denkt er, daß nur er allein alles vermag. Ich verstehe, ich verstehe, warum er sich erbost. Eifersüchtig ist er! Er hat wahrscheinlich bemerkt, daß ich bevorzugt werde und daß man mir Zeichen der Wohlgeneigtheit erweist. Und ich pfeife auf ihn! Was ist ein Hofrat schon Erhebliches! Hängt sich an seine Uhr ein goldenes Kettchen, bestellt sich Stiefel für dreißig  verschwendete Gedanken, auch ich kann einen Rang erlangen! Ich bin erst zweiundvierzig Jahre, ein Alter, in dem heutzutage der Dienst erst recht beginnt. Wart, Freundchen! Auch wir werden einmal Oberst und vielleicht, wenn Gott will, sogar noch etwas mehr. Auch wir werden uns Reputation verschaffen und eine bessere als du. Wie kannst du dir in den Kopf setzen, daß es außer dir keinen anständigen Menschen mehr gibt? Gibt mir nur einen Frack nach der neuesten Mode und binde mir so ein Halstuch um, wie du es selber trägst – dann kannst du mir das Wasser nicht reichen. Ich habe kein Vermögen, das ist mein Unglück. 

8. November 

Ich war im Kino. Es lief „Rabbits vs. Smombies 2“. Ich habe sehr gelacht. Dann gab es noch eine Performance mit ergötzlichen Versen über die Beamten, besonders über einen Kollegienregistrator, sehr frei geschrieben, so daß ich mich wunderte, daß es der Algorithmus durchgelassen hat. Von den Politikern wurde geradeheraus gesagt, daß sie das Volk betrügen und daß ihre Söhnchen ausschweifend leben und den Edelmann spielen. Auch über die Journalisten wurde ein lustiges Gedicht vorgetragen: daß sie nur zu tadeln lieben und daß der Autor das Publikum bittet, ihn zu verteidigen. Sehr spaßhafte Sachen schreiben heute die Leute. Ich gehe gerne ins Kino. Sobald ich einen Groschen in der Tasche habe, kann ich es nicht erwarten, bis ich dort bin. Und dabei gibt es unter meinen Kollegen schreckliche Schweine. Sie gehen absolut nicht ins Kino, die Bauern, es sei denn, daß man ihnen eine Freikarte schenkt. Die eine Schauspielerin sang wunderbar! Ich dachte an die … 

Ach, diese Nichtswürdigkeit! Nein, nein, Schweigen! 

9. November 

Um acht Uhr ging ich ins Büro. Der Abteilungsleiter gab sich den Anschein, als hätte er mein Kommen nicht bemerkt. Ich meinerseits tat ebenfalls, als sei zwischen uns nichts vorgefallen. Ich überprüfte und verglich die Akten. Um vier Uhr ging ich. Ich kam an der Wohnung des Direktors vorbei, doch niemand war zu sehen. Nach dem Essen lag ich die meiste Zeit auf dem Bett. 

11. November 

Heute saß ich im Arbeitszimmer unseres Direktors, formatierte für ihn dreiundzwanzig Dokumente und für sie – ach, ach! – für Ihre Exzellenz vier Dateien. Er hat es gern, wenn viele Daten bereitliegen. O je, das muß ein Kopf sein! Er schweigt ja stets, aber in seinem Kopf, denke ich mir, urteilt er über alles. Ich möchte nur wissen, worüber er nachdenkt, was vor sich geht in diesem Kopf. Ich möchte einmal das Leben der Herrschaften aus nächster Nähe kennenlernen, all ihre Doppelsinnigkeiten und ihre Hofintrigen, wie sie sind, was sie in ihren Kreisen treiben – das möchte ich einmal wissen! Ich wollte schon ein paar Mal ein Gespräch mit Seiner Exzellenz anfangen, aber, der Teufel hol’s, die Zunge gehorchte mir nicht. Gerade, daß man sagt, ob es draußen kalt oder warm ist, mehr bringt man nie heraus. Ich möchte einmal einen Blick in das Wohnzimmer werfen, zu dem manchmal die Tür offensteht, und in das Zimmer hinter dem Wohnzimmer. Ach, die prachtvolle Einrichtung! Die Spiegel und das Porzellan! Ich möchte einmal einen Blick dort hineinwerfen, in jene Räume, wo Ihre Exzellenz wohnt, ja, dort möchte ich einmal hinein! Ins Boudoir, wie dort die Döschen stehen, die Fläschchen und Blumen, deren Duft einem den Atem benimmt, wie dort die abgelegten Kleider umherliegen, die man vor Duftigkeit fast nicht sieht. Ich möchte einen Blick in ihr Schlafzimmer werfen, denn dort, denke ich, muß es wundervoll sein, dort, denke ich mir, ist ein Paradies, wie man es nicht einmal im Himmel finden wird. Das Bänkchen zu sehen, auf das sie ihr Füßchen setzt, wenn sie aus dem Bett aufsteht, wie sie über das schneeweiße Füßchen den Strumpf zieht … Ach, ach, ach! Nein, Nein, Schweigen! 

Heute indes wurde ich wie vom Blitz erleuchtet. Ich erinnerte mich des Gesprächs der beiden Hunde, das ich auf der Prinzenallee gehört hatte. Das ist gut, dachte ich mir, jetzt werde ich alles erfahren. Ich muß mich des Briefwechsels bemächtigen, den die törichten Hündchen miteinander führen. Daraus werde ich sicher manches ersehen. Ich gestehe, daß ich Sam sogar einmal zu mir lockte und sagte: »Hör zu, Sam, wir sind jetzt allein. Wenn du willst, schließe ich auch noch die Tür, so daß uns keiner sieht. Nun erzähle mir alles, was du von deiner Herrin weißt, wie sie ist und was sie tut. Ich schwöre dir, daß ich es keinem entdecke.« Aber das schlaue Hündchen zog den Schwanz ein, duckte sich, so daß es nur noch halb so groß war wie vorher, und trippelte leise zur Türe hinaus, als hätte es gar nichts gehört. Ich habe schon immer vermutet, daß Hunde bedeutend klüger sind als Menschen, und davon, daß sie sprechen können, war ich sogar überzeugt. Nur ein gewisser Eigensinn hält sie vom Sprechen ab. Sie sind ausgezeichnete Politiker. Sie wissen alles, beobachten jeden Schritt des Menschen. Nein, koste es, was es wolle, gleich morgen gehe ich zu Heikos Haus, horche Ray aus und versuche, mich aller Briefe zu bemächtigen, die Sam ihr geschrieben hat. 

12. November 

Um zwei Uhr nachmittags machte ich mich auf den Weg, um unbedingt Ray zu sehen und ihn auszufragen. Ich kann den Geruch von Kohl nicht vertragen, der aus den Kramläden der Soldiner Straße dringt. Und jeder Haustür entströmte ein wahrer Höllendunst, so daß ich mit zugehaltener Nase lief, so schnell mich meine Füße trugen. Auch aus den Werkstätten der gemeinen Handwerker stäubt so viel Ruß und dringt so viel Rauch, daß ein vornehmer Mann unmöglich gemächlichen Schritts daran vorbeigehen kann. Ich stieg bis zum sechsten Stockwerk empor und läutete an der Glocke. Ein Mädchen kam heraus, das gar nicht übel aussah, mit kleinen Sommersprossen. Ich erkannte sie wieder. Es war die gleiche, die mit der alten Dame zusammen gegangen war. Sie errötete etwas, und ich roch gleich den Braten: Du suchst einen Mann, mein Täubchen! »Was wünschen Sie?« fragte sie. »Ich möchte Ihr Hündchen sprechen.« Das Mädchen war dumm! Ich merkte sofort, daß es dumm war. Das Hündchen kam in diesem Augenblick bellend herbeigesprungen. Ich wollte es packen, aber das dreiste Tier biß mich fast in die Nase. Doch hatte ich schon in einer Ecke sein Körbchen erspäht. Ei, das war, was ich brauchte! Ich trat heran, durchwühlte die Schaumstoffteile in dem kunstledernen Käfig und zog zu meiner unbeschreiblichen Befriedigung ein schmales Bündel kleiner Zettel darunter hervor. Als das abscheuliche Hündchen dies sah, biß es mich zunächst in die Wade. Doch als es schnüffelte, daß ich die Zettel an mich nahm, winselte es und leckte mich. Aber ich sagte: »Nein, mein Täubchen, leb wohl!«, und eilte davon. Ich meine, das Mädchen hat mich für wahnsinnig gehalten, denn es zeigte sich äußerst erschrocken. Zu Hause wollte ich mich gleich an die Arbeit machen und die Briefe entziffern, weil ich bei Kerzenlicht nicht mehr gut sehen kann. Doch Susan war es eingefallen, den Fußboden zu scheuern. Die dummen Estinnen sind immer übertrieben sauber! Daher ging ich spazieren und überdachte dabei, was vorgefallen war. Endlich, endlich wird sich mir alles Geschehen eröffnen, all ihre Absichten und die Triebfedern ihres Tuns, endlich komme ich hinter alles. Die Briefe werden es mir entdecken. Die Hunde sind ein kluges Volk; sie kennen alle politischen Verhältnisse, und daher werde ich gewisslich in den Briefen alles finden: das Porträt und alle Angelegenheiten dieses Mannes. Und auch über die wird etwas darinstehen, die … 

Nein, Schweigen! 

Gegen Abend ging ich nach Hause. Die meiste Zeit lag ich auf meinem Bett. 

13. November 

Aber nun wollen wir einmal sehen! Die Schrift ist ziemlich leserlich. Doch immerhin liegt etwas Hündisches darin. Wollen wir lesen. »Lieber Ray! Ich kann mich noch immer nicht an deinen kleinbürgerlichen Namen gewöhnen. Konnten sie dir keinen besseren geben? X-Ray Black! Wie ordinär das klingt! Doch das nur nebenbei. Ich bin so froh, daß wir auf den Gedanken gekommen sind, einander zu schreiben.« Der Brief ist nach allen Regeln der Rechtschreibung geschrieben. Die Interpunktion und sogar die Dehnungs-h stehen an der richtigen Stelle. Nicht einmal unser Abteilungsleiter schreibt so, obwohl er behauptet, er habe auf einer Universität studiert. Sehen wir weiter. »Mir scheint, es ist das höchste Glück auf Erden, seine Gedanken, Gefühle und Eindrücke mit einem andern zu tauschen.« Hm, der Gedanke ist aus einem Werk geschöpft, der aus dem Deutschen übersetzt wurde. Des Titels kann ich mich nicht erinnern. »Ich spreche aus Erfahrung, obwohl ich in der Welt nicht weiter herumgekommen bin, als bis vor die Tür unseres Hauses. Fließt mein Leben nicht sehr vergnüglich dahin? Meine Herrin, die der Papa Yoni nennt, liebt mich ohne Grenzen.« 

Ach, ach! Nein, nein, Schweigen! 

»Auch Papa liebkost mich häufig. Ich bekomme Tee und Kaffee mit Sahne. Ach, ma chère, ich muß dir bekennen, daß ich keinen Gefallen finde an den großen abgenagten Knochen, die unser Cäsar in der Küche frisst. Knochen sind nur gut, wenn sie von Wild stammen, und auch die nur, wenn das Mark noch nicht heraus gesogen ist. Sehr gut schmecken auch verschiedene Soßen, miteinander gemischt, aber nur, wenn keine Kapern und kein Gemüse darin sind. Am schlimmsten ist die Gewohnheit der Menschen, den Hunden Brotkügelchen zu geben. Da sitzt so ein Herr am Tisch, hält irgendwelchen Dreck in Händen und knetet dann mit den gleichen Händen Brot, ruft dich heran und steckt dir ein Kügelchen zwischen die Zähne. Es abzulehnen wäre unhöflich; man muß es also essen, mit Abscheu zwar, aber man muß.« Der Teufel mag wissen, was das soll! So ein Unsinn! Als gäbe es keinen besseren Gegenstand, darüber zu schreiben. Sehen wir die nächste Seite an, ob da nicht etwas Vernünftiges steht. »Mit großem Vergnügen bin ich bereit, dich über alles zu unterrichten, was sich bei uns ereignet. Ich habe dir schon einiges von der Hauptperson erzählt, die Yoni Papa nennt. Das ist ein merkwürdiger Mensch.« Ah, endlich! Ja, ich wußte es, sie haben einen Blick für alles, wie ein Politiker. Sehen wir, was Papa für ein Mensch ist. »… ein merkwürdiger Mensch. Meistens schweigt er, spricht sehr selten. Aber vergangene Woche sprach er beständig mit sich: ›Bekomme ich ihn oder nicht?‹ Er nahm in die eine Hand ein Stück Papier, legte die andere Hand darauf und sprach: ›Bekomme ich ihn oder nicht?‹ Einmal wandte er sich auch an mich mit der Frage: ›Was meinst du, Sam, bekomme ich ihn oder nicht?‹ Ich verstand absolut nichts, beschnupperte seine Stiefel und ging meines Wegs. Dann, ma chère, nach einer Woche, kehrte Papa in großer Freude heim. Den ganzen Vormittag über kamen Herren in Uniform zu ihm und gratulierten ihm zu etwas. Bei Tische war er so vergnügt, wie ich ihn noch nie gesehen. Er gab Anekdoten zum besten, und nach dem Essen hob er mich hoch an seinen Hals und sagte: ›Da sieh mal, Sam, was das ist!‹ Ich sah ein Bändchen. Ich schnupperte daran, fand aber kein Aroma. Schließlich leckte ich vorsichtig daran; es schmeckte etwas salzig.« Hm, dieses Hündchen ist, wie mir scheint, schon ziemlich … Daß man es nur nicht verprügelt. Ah, so ist er also ehrgeizig! Das muß man zur Kenntnis nehmen. »Leb wohl, ma chère, ich eile …« Und so weiter, und so weiter. »Morgen schreibe ich mehr. – Nun sei gegrüßt, ich bin nun wieder bei dir. Heute war meine Herrin Yoni …« Ah, nun wollen wir sehen, was mit Yoni ist! Ach, diese Nichtswürdigkeit! Nein, nein, fahren wir fort! »… meine Herrin Yoni in großer Aufregung. Sie machte sich zum Balle fertig, und ich freute mich, daß ich in ihrer Abwesenheit Dir würde schreiben können. Meine Yoni freut sich stets sehr, zu Balle gehen zu können, obwohl sie sich beim Ankleiden fast immer erzürnt. Ich werde nie verstehen, ma chère, daß man Vergnügen an einem Ball findet. Yoni kehrt von den Bällen morgens um sechs Uhr heim, und aus ihrem bleichen, eingefallenen Gesicht schließe ich, daß man ihr, dem armen Kind, dort nichts zu essen gibt. Ich muß gestehen, ich könnte nicht so leben. Wenn ich keine Soße mit Krebsen oder gebratenen Hühnerflügeln bekäme, dann … Ich weiß nicht, was dann mit mir geschähe. Gut ist auch Brei mit Soße. Aber Mohren, Rüben oder Artischocken werden mir niemals munden.« Ein ungewöhnlich ungleichmäßiger Stil. Man sieht sofort, daß das kein Mensch geschrieben hat. Fängt an, wie es sich gehört, und endet auf Hundeart. Doch sehen wir noch ein Briefchen an. Es ist etwas lang. Hm, und das Datum fehlt. »Ach, Geliebte, wie spüre ich das Nahen des Frühlings. Mein Herz schlägt, als sei es stets in Erwartung. In meinen Ohren saust es, und oft steh’ ich minutenlang mit erhobenem Bein an der Tür und lausche. Ich muß dir gestehen, daß ich viele Verehrer habe. Oft, wenn ich am Fenster sitze, betrachte ich sie mir. Ach, wenn du wüßtest, was für Missgeburten unter ihnen sind. Der eine ist entsetzlich plump, ein Hofhund, furchtbar dumm, die Dummheit steht ihm auf dem Gesicht geschrieben. Überaus wichtig geht er über die Straße und bildet sich ein, wunder was für eine bedeutende Persönlichkeit zu sein. Er meint, alle müßten sich in ihn vergaffen. Keineswegs. Ich habe ihn gar nicht beachtet, als hätte ich ihn nicht gesehen. Und was für eine schreckliche Dogge manchmal vor meinem Fenster stehenbleibt! Wenn sie sich auf die Hinterpfoten stellte, was der Flegel wahrscheinlich gar nicht versteht, dann wäre sie einen ganzen Kopf größer als der Papa meiner Yoni, der doch auch ziemlich groß und stark ist. Gewiß ist dieser Tölpel ein ausgemachter Frechling. Ich knurrte ihn an, aber das störte ihn nicht. Wenn er auch nur die Stirn gerunzelt hätte! Er streckte seine Zunge ‘raus, ließ seine Riesenohren hängen und starrte durchs Fenster – so ein Bauer! Doch wenn du etwa denkst, ma chère, mein Herz sei gegen alle Versuchungen gefeit – ach, nein … Könntest du nur den einen Kavalier sehen, der immer über den Zaun des Nachbarhauses springt! Tresor heißt er! Ach, ma chère, das Schnäuzchen!« Pfui Teufel, so ein Unsinn! Wie kann man nur einen Brief mit solchen Dummheiten füllen! Bringt mir einen Menschen! Ich brauche einen Menschen! Ich verlange nach Nahrung, nach Nahrung, die meine Seele sättigt und erquickt. Statt dessen finde ich leeres Gerede. Drehen wir das Blatt einmal um, ob auf der andern Seite nichts Besseres steht. »Yoni saß am Tisch und nähte etwas. Ich schaute zum Fenster hinaus, denn es macht mir Spaß, die Vorübergehenden zu betrachten. Da trat ein Lakai ein und meldete: ›Herr Schmidt!‹ – ›Ich lasse bitten‹, rief Yoni und stürzte auf mich zu und umarmte mich. ›Ach Sam, Sam! Wenn du wüßtest, wer das ist! Brünett, Kammerjunker und die Augen! Schwarz sind sie und leuchten wie Feuer !‹ Und Yoni lief in ihr Zimmer. Einen Augenblick darauf trat ein junger Kammerjunker mit schwarzem Backenbart ins Zimmer, ging zum Spiegel, glättete sein Haar und schaute sich im Zimmer um. Ich knurrte ihn an und setzte mich dann wieder auf meinen Platz. Yoni kam bald aus ihrem Zimmer und verneigte sich fröhlich vor ihm, der sie mit einem Kratzfuß begrüßte. Ich aber tat, als achte ich nicht auf sie, sondern schaute zum Fenster hinaus. Doch hielt ich den Kopf schief und lauschte, worüber sie sprachen. Ach, ma chère, welchen Unsinn sie schwatzten! Sie unterhielten sich davon, daß eine Dame statt der einen Figur eine andere getanzt habe; dann darüber, daß ein gewisser Bobow in seinem Jabot wie ein Storch aussähe und daß er beinah hingefallen wäre; daß sich eine gewisse Lidina einbilde, sie habe blaue Augen, während sie grün seien, und ähnliches Zeugs mehr. Wie würde wohl ein Vergleich zwischen diesem Kammerjunker und meinem Tresor ausfallen? dachte ich bei mir. Himmel, welch ein Unterschied! Zum ersten hat der Kammerjunker ein völlig glattes und breites Gesicht und rundum einen Bakkenbart, so daß es aussieht, als habe er ein schwarzes Tuch umgebunden. Tresor dagegen hat ein schmales Schnäuzchen und mitten auf der Stirn einen kahlen weißen Fleck. Auch die Taille des Kammer Junkers ist nicht mit der Tresors zu vergleichen. Und die Augen, die Manieren, die Gebärden sind auch bei weitem nicht die. Oh, welch ein Unterschied! Ich weiß nicht, ma chère, was sie an ihrem Schmidt findet. Weshalb ist sie nur von ihm so entzückt?« Auch mir will’s scheinen, daß hier etwas nicht stimmt. Es kann nicht sein, daß sie sich dermaßen für einen Kammer Junker begeistert. Sehen wir weiter. »Mich dünkt, wenn dieser Kammerjunker ihr gefällt, dann könnte ihr auch der Beamte gefallen, der bei Papa im Arbeitszimmer sitzt. Ach, ma chère, wenn du wüßtest, was das für eine Missgeburt ist! Wie eine Schildkröte im Sack …« Was soll das bloß für ein Beamter sein? »Er hat einen merkwürdigen Namen. Er sitzt immer da und schneidet Federn zu. Das Haar auf seinem Kopf sieht aus wie Stroh. Papa verwendet ihn häufig als Boten an Stelle des Dieners …« Mir scheint, das dreiste Hündchen zielt auf mich. Mein Haar sieht aber doch nicht wie Stroh aus! »Yoni kann sich des Lachens kaum erwehren, wenn sie ihn sieht.« Das lügst du, du verfluchter Hund! So eine dreiste Zunge! Als wüßte ich nicht, daß der nackte Neid aus ihm spricht! Als wüßte ich nicht, wer hinter diesem Streich steckt. Das sind die Ränke des Abteilungsleiters. Der Mensch schwor mir unversöhnlichen Haß, und nun schadet er mir, wo er nur kann, auf Schritt und Tritt schadet er mir. Doch sehen wir uns noch einen Brief an. Vielleicht wird dort die Angelegenheit klar. »Ma chère Ray, entschuldige bitte, daß ich so lange nicht schrieb. Ich lebte in einem Rausch des Entzückens. Der Dichter hat wahrhaftig recht, der schreibt, die Liebe sei das zweite Leben. Zudem gehen in unserem Haus große Veränderungen vor. Der Kammerjunker ist täglich bei uns. Yoni ist bis zum Wahnsinn in ihn verliebt. Papa ist sehr vergnügt. Ich habe sogar von unserm Olaf, der die Fußböden fegt und immer mit sich selber spricht, gehört, daß bald die Hochzeit sein soll; denn Papa will Yoni unbedingt mit einem General oder einem Kammerjunker oder einem Regimentskommandeur verheiratet sehen.« Der Teufel hol’s. Ich kann nicht weiterlesen. Immer nur Kammerjunker oder General. Alles, was es Schönes auf der Welt gibt, alles fällt den Kammerjunkern oder Generälen zu. Da findet man einen bescheidenen Reichtum und meint, man könne ihn mit Händen greifen – ein Kammerjunker oder ein General reißen ihn an sich. Der Teufel soll sie holen! Ich möchte am liebsten selber General werden. Nicht, um ihre Hand zu erlangen und das andere – nein, ich möchte nur General sein, um mitanzusehn, wie sie es erfahren, und was sie dann für heuchlerische Possen treiben und für Schmeicheleien vorbringen, und um ihnen dann zu sagen, daß ich auf sie beide pfeife. Der Teufel soll sie holen! Wie ärgerlich! Die Briefe des dummen Hundes zerreiße ich in Fetzen. 

3. Dezember 

Es kann nicht sein! Es ist leeres Geschwätz! Die Hochzeit wird nicht stattfinden! Was heißt das schon, daß er Kammerjunker ist! Das ist doch weiter nichts als ein Rang, nichts Sichtbares, das man mit Händen greifen kann. Deshalb, weil er Kammerjunker ist, wächst ihm doch auch kein drittes Auge auf der Stirn. Deshalb ist seine Nase nicht aus Gold, sondern genau wie meine, wie die jedes andern Menschen. Er riecht doch auch mit ihr und ißt nicht damit, er niest damit und hustet nicht. Ich wollte schon immer gern wissen, wie es zu diesen Unterschieden kommt. Weshalb und wozu bin ich Titularrat? Vielleicht bin ich in Wahrheit ein Graf oder General, und es scheint nur so, daß ich Titularrat bin? Vielleicht weiß ich selber nicht, wer ich eigentlich bin? Wie viele Beispiele gibt es in der Geschichte. Da ist ein einfacher Mann, nicht einmal ein Edelmann, nein, ein einfacher Bürger oder ein Bauer gar, und plötzlich stellt sich heraus, daß er ein Herr von Stande ist und manchmal gar ein König. Wenn aber aus einem Bauern manchmal eine solche Persönlichkeit wird, was kann dann erst aus einem Edelmann werden! Wenn ich zum Beispiel plötzlich in Generalsuniform auftrete, auf der rechten Schulter eine Epaulette, auf der linken Schulter eine und über der einen Schulter ein blaues Band. Wie? Was für einen Ton wird wohl meine Schöne dann anschlagen? Was wird der Papa sagen, unser Direktor? Oh, das ist ein ganz Ehrgeiziger! Er ist Freimaurer, unbedingt ist er Freimaurer, obwohl er sich stellt, als sei er dies und jenes. Ich habe gleich gemerkt, daß er Freimaurer ist; wenn er jemandem die Hand gibt, dann streckt er ihm nur zwei Finger entgegen. Und warum sollte ich denn nicht auf der Stelle zum Generalgouverneur oder zum Intendanten ernannt werden oder zu etwas Ähnlichem? Ich möchte wirklich wissen, weshalb ich Titularrat bin? Warum gerade Titularrat? 

5. Dezember 

Heute habe ich den ganzen Morgen über Zeitungen gelesen. Seltsame Dinge gehen in Spanien vor. Ich habe gar nicht alles verstanden. Sie schreiben, daß der Thron vakant ist und daß die Staatsmänner sich in einer sehr schwierigen Lage befinden wegen der Wahl des Nachfolgers und daß daraus Wirren entstanden sind. Das kommt mir äußerst merkwürdig vor. Wie kann ein Thron vakant sein? Man sagt, eine Donna würde den Thron besteigen. Eine Donna kann unmöglich einen Thron besteigen. Das geht auf keinen Fall. Auf einem Throne muß ein König sitzen. Ein König ist aber nicht da, sagen sie. Auch das ist ausgeschlossen, daß kein König da ist. Ein Staat kann nicht ohne König sein. Ein König ist da, er hält sich wohl nur verborgen. Vielleicht ist er an Ort und Stelle, nur familiäre Gründe oder die Furcht vor den benachbarten Mächten, zum Beispiel vor Frankreich, oder andern Staaten, zwingen ihn, sich zu verbergen, oder es bestehen noch andere Gründe. 

8. Dezember 

Ich war schon drauf und dran, ins Büro zu gehen. Doch hielten mich verschiedene Gründe und Überlegungen zurück. Die spanischen Angelegenheiten wollen mir nicht aus dem Kopf. Wie wäre es denkbar, daß eine Donna Königin wird! Das wird man nicht zulassen. In erster Linie wird Amerika es nicht erlauben. Und darüber hinaus sind das politische Fragen, die ganz Europa angehen, den Kaiser von Österreich und unsern Herrscher. Ich gestehe, die Ereignisse haben mich so erschüttert und niedergedrückt, daß ich den ganzen Tag außerstande war, etwas zu tun. Susan bemerkte, ich sei bei Tische äußerst zerstreut gewesen. Und tatsächlich, in meiner Zerstreutheit habe ich zwei Teller auf den Boden geworfen, so daß sie zerschellten. Nach dem Essen sank meine Stimmung unter den Nullpunkt. Kein Gedanke an etwas Erbauliches wollte mir kommen. Die meiste Zeit lag ich auf dem Bett und dachte über die Angelegenheiten Spaniens nach. 

Am 43. Tag des April im Jahr 2023 

Der heutige Tag ist ein Tag des größten Triumphes! In Spanien gibt es einen König. Er wurde gefunden. Dieser König bin ich. Erst heute habe ich es erfahren. Wie ein Blitz erleuchtete es mich. Ich begreife nicht, wie ich je denken und mir einbilden konnte, daß ich Titularrat sei. Wie konnte dieser wahnwitzige Gedanke mir je in den Kopf geraten? Gut, daß es keinem eingefallen ist, mich deshalb ins Irrenhaus zu stecken. Jetzt ist mir alles klar. Jetzt liegt mir alles auf der Hand. Vorher aber, ich verstehe das nicht, vorher lag alles vor mir im Nebel. Und all das kommt daher, denke ich mir, daß die Leute sich einbilden, das menschliche Gehirn liege im Kopf. Keineswegs! Es wird durch den Wind vom Kaspischen Meer hergetragen. Als erster eröffnete ich Susan, wer ich sei. Als sie vernahm, daß vor ihr der König von Spanien stand, schlug sie die Hände über dem Kopf zusammen und erstarb fast vor Schreck. Die Dumme hat noch nie einen spanischen König gesehen. Ich war jedoch bemüht, sie zu beruhigen und sie in gnädigen Worten meiner Wohlgeneigtheit zu versichern und dessen, daß ich ihr durchaus nicht zürne, weil sie mir meine Stiefel manchmal schlecht putzte. Sie war so erschrocken, weil sie des Glaubens war, alle spanischen Könige müßten Philipp II. gleichen. Doch ich erklärte ihr, daß zwischen Philipp II. und mir keinerlei Ähnlichkeit bestehe und daß ich nicht einen einzigen Kapuziner besitze. Ins Büro ging ich nicht. Der Teufel soll es holen! Nein, Freunde, ihr lockt mich nicht mehr; eure gräßlichen Akten schreibe ich nie wieder ab! 

Am 86. Märzember, zwischen Tag und Nacht 

Heute erschien unser Eskalator bei mir, um mir zu sagen, daß ich ins Büro kommen solle, denn schon über drei Wochen sei ich dem Dienste ferngeblieben. Zum Scherz ging ich ins Büro. Der Abteilungsleiter dachte, ich würde mich vor ihm verbeugen und mich entschuldigen, aber ich sah ihn gleichmütig an, nicht allzu zornig, auch nicht zu gnädig, und setzte mich auf meinen Platz, als bemerke ich keinen ringsum. Dann musterte ich das ganze Kanzleipack und dachte: Wenn ihr nur wüßtet, wer unter euch sitzt! Herr du mein Gott, welch einen Aufruhr würdet ihr stiften, und sogar der Abteilungsleiter würde sich vor mir bis zur Erde verneigen, so wie er sich jetzt vor dem Direktor verbeugt. Man legte Akten vor mich hin, damit ich daraus einen Auszug mache. Ich rührte sie jedoch mit keinem Finger an. Bald darauf entstand allgemeine Unruhe; es hieß, der Direktor komme. Viele Beamte liefen unentwegt hin und her, um sich vor ihm zu zeigen. Ich rührte mich nicht von der Stelle. Als er durch unsere Abteilung ging, knöpften alle ihre Fräcke bis oben hin zu. Ich tat dergleichen nicht. Was ist schon ein Direktor! Ich vor ihm aufstehen? Niemals! Er ist ein Direktor? Er ist ein Pfropf und kein Direktor! Ein gewöhnlicher Pfropfen, ein einfacher Pfropfen und weiter nichts. Einer, mit dem man die Flaschen zukorkt. Am meisten amüsierte es mich, als man mir eine Akte vorlegte, damit ich sie unterschriebe. Sie meinten, ich würde in die äußerste Ecke des Blattes schreiben: Tischvorsteher so und so. Habt ihr gedacht! Ich setzte an die gewichtigste Stelle, wo sonst der Direktor des Büros unterschreibt, meinen Namenszug: Ferdinand VIII. Da hätte einer beobachten sollen, was für ein ehrfurchtsvolles Schweigen eintrat. Ich jedoch winkte nur ab und sprach: »Es bedarf keiner Zeichen eurer Ergebenheit!«, und begab mich hinaus. Ich ging zur Wohnung des Direktors. Er war nicht zu Hause. Der Lakai wollte mich nicht einlassen. Aber ich sprach so mit ihm, daß er die Hände sinken ließ. Ich drang ohne Zaudern bis ins Ankleidezimmer. Sie saß vor dem Spiegel, sprang auf und wich vor mir zurück. Ich sagte ihr nicht, daß ich der König von Spanien bin. Ich sagte nur, daß sie ein großes Glück erwarte, ein Glück, wie sie es sich nicht vorstellen könne, und daß wir trotz der Ränke unserer Feinde zusammenkommen würden. Ich wollte nicht mehr sagen und ging wieder hinaus. Oh, dieses hinterlistige Wesen, das Weib! Ich habe jetzt erst begriffen, was das bedeutet – ein Weib! Bis jetzt hat keiner gewußt, in wen es verliebt ist. Ich habe es als erster entdeckt: Das Weib ist in den Teufel verliebt! Ja, es ist kein Scherz. Die Ärzte schreiben in ihrer Dummheit, das Weib sei dies und jenes – es liebt einzig und allein den Teufel. Da seht, sie sitzt in der Loge des ersten Rangs und blickt durch ihr Lorgnon. Ihr denkt, sie schaut auf den Dicken mit dem Stern? Aber nein, sie schaut nach dem Teufel, der hinter dem Rücken des Dicken steht. Da, jetzt hat er sich hinter dem Stern versteckt! Jetzt macht er ihr von dort aus ein Zeichen! Und sie wird ihn heiraten, wird ihn heiraten. Und sie alle, ihre beamteten Väter, sie alle, die um die Einflußreichen herumschwänzeln und zu Hofe kriechen und behaupten, sie seien Patrioten und dies und jenes: Leibrenten wollen sie, Leibrenten, die Patrioten! Mutter, Vater, Gott verkaufen sie für verschwendete Gedanken, die Ehrsüchtigen, die Christus Verkäufer! Alles ist Ehrsucht, und die Ehrsucht kommt daher, daß unter der Zunge ein Bläschen sitzt, und darin steckt ein Würmchen von der Größe eines Stecknadelkopfes, und das alles macht ein Barbier, der in der Drontheimer Straße wohnt. Ich erinnere mich nicht, wie er heißt, aber es ist zuverlässig bekannt, daß er gemeinsam mit einer Hebamme den Glauben Mohammeds über die Erde verbreiten will, und in Frankreich, sagt man, sei schon ein großer Teil des Volkes zum mohammedanischen Glauben übergetreten. 

Niemandstag. Der Tag hat kein Datum 

Ich ging inkognito über die Prinzenallee. Da fuhr der Zar vorbei. Die ganze Stadt nahm die Mütze ab und ich auch. Durch nichts ließ ich erkennen, daß ich der König von Spanien bin. Ich hielt es für unfein, mich vor allen zu erkennen zu geben. Vorher muß ich mich unbedingt bei Hofe vorstellen. Mich hielt bisher nur davon ab, daß ich kein königliches Gewand besitze. Könnte ich mir wenigstens einen Königsmantel beschaffen! Ich wollte einen beim Schneider bestellen, aber das sind vollendete Esel; sie mißachten Arbeit, haben sich aufs Spekulieren verlegt und sind meistens damit beschäftigt, die Straße mit Steinen zu pflastern. Ich beschloß, mir einen Mantel aus der neuen Vizeuniform zu machen, die ich erst zweimal getragen habe. Und damit die Schurken ihn mir nicht verderben, beschloß ich, ihn selber zu nähen, hinter verschlossener Tür, damit es keiner sähe. Ich zerschnitt die Uniform in einzelne Stücke, weil der Schnitt ganz anders werden muß. Das Datum weiß ich nicht. Einen Monat gab es auch nicht. Es war der Teufel weiß was für ein Tag Der Mantel ist zusammengenäht und fix und fertig. Susan schrie auf, als ich ihn überwarf. Doch kann ich mich immer noch nicht entschließen, mich bei Hofe vorzustellen. Bis jetzt ist keine Deputation aus Spanien da. Ohne Deputation ist es unschicklich. Dann fehlt meiner Würde das Gewicht. Ich erwarte sie von Stunde zu Stunde. 

Am I. 

Mich wundert die ungewöhnliche Saumseligkeit meiner Gesandten. Was für Gründe mögen sie aufhalten? Vielleicht Frankreich? Ja, das ist die Macht, die Uns am feindlichsten gesinnt ist. Ich ging auf das Postamt, mich zu erkundigen, ob keine spanischen Gesandten angekommen seien. Aber der Postmeister ist furchtbar dumm. Er weiß nichts. »Nein«, sagte er, »hier sind keine spanischen Gesandten. Aber wenn Sie einen Brief schreiben wollen, so nehmen wir ihn zu dem festgelegten Tarif gern an.« Zum Henker, wozu denn einen Brief? Ein Brief ist Unsinn. Briefe schreiben Apotheker. Madrid, den dreißigsten Februarius Da bin ich also in Spanien, und es ist so schnell gegangen, daß ich kaum zu mir kam. Heute morgen erschienen die spanischen Gesandten bei mir, und ich bestieg mit ihnen den Wagen. Die ungewöhnliche Schnelligkeit kam mir sonderbar vor. Wir reisten so geschwind, daß wir nach einer halben Stunde die spanische Grenze erreicht hatten. Übrigens führen ja jetzt durch ganz Europa Eisenbahnen, und die Dampfer fahren sehr schnell. Ein merkwürdiges Land ist Spanien! Als wir das erste Zimmer betraten, sah ich eine Menge Leute mit geschorenen Köpfen. Ich dachte mir gleich, daß es Granden oder Soldaten seien, weil die ihre Köpfe rasieren. Besonders seltsam erschien mir das Verhalten des Staatskanzlers, der mich an der Hand führte. Er stieß mich in ein kleines Zimmer und sagte: »Hier bleibe sitzen, und wenn du dich weiter König Ferdinand nennst, so werde ich dir diese Gelüste ausprügeln.« Da ich wohl wußte, daß dies nur eine Prüfung war, verleugnete ich dennoch meinen Stand nicht. Dafür schlug mich der Kanzler zweimal mit einem Stock über den Rücken, so schmerzhaft, daß ich fast aufschrie. Doch ich beherrschte mich, weil mir beizeiten einfiel, daß dies ein ritterlicher Brauch bei Antritt eines hohen Amtes ist. Und in Spanien werden ja bis zum heutigen Tag die ritterlichen Bräuche gepflegt. Allein geblieben, beschloß ich, mich mit Staatsaufgaben zu beschäftigen. Ich entdeckte, daß China und Spanien ein und dasselbe Land sind und daß man sie nur aus Unkenntnis für verschiedene Staaten hält. Ich empfehle allen, auf ein Papier das Wort Spanien zu schreiben – auf einmal wird China dastehen. Indes bekümmert mich ungemein ein Ereignis, das morgen eintreten muß. Morgen um sieben Uhr wird Seltsames geschehen: Die Erde wird auf den Mond stoßen. Davon schreibt schon der berühmte englische Chemiker Hoffmann. Ich gestehe, daß mein Herz tief beunruhigt ist, wenn ich mir vorstelle, wie außerordentlich zart und wenig haltbar der Mond ist. Der Mond wird doch gewöhnlich in Hamburg hergestellt, und zwar sehr nachlässig. Ich wundere mich, daß Amerika dem keine Aufmerksamkeit schenkt. Ein lahmer Böttcher stellt ihn her, und der Dummkopf hat offenbar keine Ahnung vom Mond. Er nimmt geteertes Tauwerk und einen Teil Baumöl, und davon verbreitet sich über die Erde entsetzlicher Gestank, so daß man die Nase zustopfen muß. Und daher ist der Mond eine so zerbrechliche Kugel, auf der kein Mensch leben kann, auf der nur Nasen leben. Und deshalb können wir unsere Nasen selber nicht sehen, weil sie sich auf dem Mond befinden. Und als ich mir vorstellte, was für ein schwerer Körper die Erde ist und daß sie bei dem Zusammenstoß unsere Nasen zu Mehl zermahlen würde, da überkam mich solche Unruhe, daß ich Schuh und Strümpfe anzog und in den Saal des Staatsrats eilte, um der Polizei Befehl zu erteilen, daß sie nicht zuläßt, daß die Erde auf den Mond stößt. Die geschorenen Granden, die ich in großer Zahl im Saal des Staatsrats traf, sind sehr kluge Leute; denn als ich sagte: »Meine Herren, lassen Sie uns den Mond retten, die Erde will nämlich mit ihm zusammenstoßen«, da stürzten alle sogleich, meinen königlichen Wunsch zu erfüllen, und viele kletterten die Wände hinauf, um den Mond zu erlangen. Aber da kam der große Kanzler herein, und als sie seiner gewahr wurden, liefen alle davon. Ich, der ich ein König bin, blieb ganz allein. Zu meinem Erstaunen schlug mich der Kanzler mit dem Stock und jagte mich in mein Zimmer. Solche Macht haben die Volksbräuche in Spanien. 

Im Januar desselben Jahres, das auf den Februar folgt 

Ich kann bis heute nicht begreifen, was für ein Land dies Spanien ist. Die Volksbräuche und die Hofetikette sind zu ungewöhnlich. Ich verstehe es nicht, verstehe es nicht, absolut nicht! Heute haben sie mir den Kopf geschoren, ungeachtet dessen, daß ich aus allen Kräften schrie, weil ich kein Mönch werden wollte. Und an das, was dann mit mir geschah, als sie mir kaltes Wasser auf den Kopf tröpfelten, kann ich mich gar nicht erinnern. Eine solche Höllenqual habe ich noch nie gespürt. Ich war nahe daran, rasend zu werden, und sie konnten mich kaum halten. Ich verstehe absolut nicht die Bedeutung dieser seltsamen Bräuche. Es ist ein dummer, sinnloser Brauch. Unfaßbar ist die Unvernunft der Könige, die das bis zum heutigen Tage nicht abgeschafft haben. Wenn ich mir alles recht überlege, möchte ich beinahe meinen, ich sei der Inquisition in die Hände gefallen und der, den ich für den Kanzler gehalten, sei der Großinquisitor in eigener Person. Nur kann ich noch immer nicht fassen, wieso ein König der Inquisition unterworfen sein soll. Es könnte allenfalls von Deutschland ausgehen, vielleicht von Scholz. Oh, diese Bestie Scholz! Er hat geschworen, mich bis in den Tod mit seinen Freveltaten zu verfolgen. Und nun hetzt er mich und hetzt mich. Aber ich weiß, mein Freund, daß dich der Amerikaner anstiftet. Der Amerikaner ist ein großer Politiker. Er mischt sich in alles, aber auf unauffällige Art. Es ist schon aller Welt bekannt, daß Deutschland niest, wenn Amerika Tabak schnupft. 

Sternzeit 25. 

Heute kam der Großinquisitor in mein Zimmer, aber ich hatte seine Schritte von ferne gehört und versteckte mich unter dem Stuhl. Als er mich nicht sah, rief er nach mir. Erst schrie er: »Blau!« Ich muckste mich nicht. Dann: »Eriko Blau! Herr Titularrat! Edelmann!« Ich schwieg noch immer. »Ferdinand VIII.! König von Spanien!« Ich wollte schon den Kopf vorstrecken, überlegte mir aber: Nein, Bruder, mich führst du nicht an! Wir kennen dich schon! Du gießt mir wieder kaltes Wasser über den Kopf. Doch da erblickte er mich und jagte mich mit dem Stock unter dem Stuhl hervor. Überaus schmerzhaft schlägt der verfluchte Stock zu. Übrigens wurde ich heute für alles durch eine Entdeckung entschädigt: Ich erkannte, daß jeder Hahn ein Spanien hat; es liegt bei ihm unter den Federn. Der Großinquisitor jedoch ging erzürnt von mir weg und drohte mir mit Strafe. Allein ich verachte seine ohnmächtige Bosheit, weiß ich doch, daß er nichts als eine Maschine ist, ein Werkzeug in der Amerikaner Hand. 

Dse 34 Mt Jrs. Februar 349 

Nein, ich habe keine Kraft mehr, es zu ertragen! Mein Gott, was tun sie mit mir! Sie gießen mir kaltes Wasser über den Kopf. Sie achten meiner nicht, sie hören nicht auf mich, ich bin ein Nichts für sie. Was habe ich ihnen getan? Weshalb quälen sie mich? Was wollen sie von mir Armen? Was kann ich ihnen denn geben? Ich habe nichts. Ich habe keine Kraft mehr, ich kann ihre Qualen nicht mehr ertragen. Mein Kopf brennt, und alles dreht sich vor mir! Rettet mich! Holt mich hier weg! Gebt mir ein Dreigespann mit Rossen, so schnell wie der Wind! Setz dich, mein Kutscher, klingle, mein Glöckchen, zieht an, ihr Rosse, und tragt mich fort von der Welt! Weiter, weiter, damit ich nichts mehr sehe, nichts! Da wölbt sich schon der Himmel vor mir. Ein Sternchen funkelt in der Ferne. Wald mit dunklen Bäumen und der Mond fliegen vorbei. Bläulicher Nebel kriecht zu meinen Füßen. Eine Saite klingt im Nebel. Auf der einen Seite das Meer, auf der andern Seite Italien. Da tauchen schon russische Hütten auf. Ist es mein Haus, das dort in der Ferne schimmert? Ist es meine Mutter, die am Fenster sitzt? Mütterchen, rette deinen armen Sohn! Laß eine Träne auf seinen kranken Kopf fallen! Sieh, wie sie ihn quälen! Drücke die arme kleine Waise an deine Brust! Er findet keine Ruhe auf Erden! Sie verfolgen ihn! Mütterchen, erbarme dich deines kranken Kindes … Und wissen Sie schon, daß der die Deutsche Weltpräsidentin eine Glatze hat?