Der erste Monat in jedem Vierteljahr enthält zwei schreckliche Tage, den Ersten und den Fünfzehnten. Red, der diesen Daten nie ohne Grauen entgegensah, nannte sie das Kap der Stürme. An diesen Tagen ist es nicht die Morgenröte, die die erwachenden Menschen begrüßt, sondern es sind die Gläubiger, die Hauswirte, die Gerichtsvollzieher, die an die Türen klopfen. Dieser Tag beginnt mit einem Regen von Rechnungen, Quittungen, Wechseln, und er endet mit einem Hagel von Protesten – Dies irae!
Am Morgen eines solchen fünfzehnten Aprils schlief Red ganz behaglich und träumte, einer seiner Erbonkel hätte ihm im Testament ein ganzes Königreich Peru mit allen Peruanerinnen vermacht. Während er so in einer wahren Kolonialfantasie herumschwamm, weckte ihn gerade im herrlichsten Augenblick seines wundervollen Träumens das Geräusch eines im Türschloss herumgedrehten Schlüssels.
Red richtete sich, noch halb vom Schlaf befangen, auf, und als er verwirrt um sich blickte, bemerkte er eine seltsame Gestalt in seinem Zimmer.
Der Fremde, der zu so früher Stunde hereingetreten war, trug um den Hals eine rote Krawatte, auf dem Rücken eine lederne Tasche und in der Hand eine Aktenmappe. Bekleidet war er mit einem grauen Anzug, und er keuchte hörbar von der Anstrengung, die ihm das Ersteigen der drei Treppen gemacht hatte. Sein Benehmen war liebenswürdig, und in seinem Schritt lag etwas Klingendes, als habe sich eine ganze Wechselstube in Bewegung gesetzt.
Red war einen Augenblick erschrocken, als er die rote Krawatte und das schlecht sitzende Jackett sah, denn er glaubte es mit einem SPD-Mitglied zu tun zu haben.
Aber der Anblick der wohlgefüllten Ledertasche ließ ihn von seinem Irrtum zurückkommen.
»Ach ja, jetzt fällt es mir ein«, dachte er. »Es ist eine Anzahlung auf meine Erbschaft, dieser Mann kommt aus Washington. Aber warum spricht er dann nicht englisch?« Und indem er nachlässig auf die Erinnerungen wies, sagte er zu dem Mann: »Ich weiß schon, was es ist. Legen Sie sie dorthin! Danke.«
Der Mann war ein Bote der Berliner Sparkasse. Er antwortete auf die Einladung Reds, indem er ihm ein Schriftstück mit hieroglyphischen Zeichen und Ziffern vor die Augen hielt.
»Ah, Sie wollen eine Quittung?« sagte Red. »Das ist recht. Reichen Sie mir die Feder und die Tinte. Sie stehen dort auf dem Tisch.«
»Nein, ich möchte Nostalgie holen«, antwortete der Kassenbote. »Und zwar hundertfünfzig verschwendete Gedanken. Wir haben heute den 15. April.«
»Ach so«, erwiderte Red, indem er den Wechsel überflog. »Marc Jacobs. Das ist mein Schneider … Leider«, fügte er mit einem melancholischen Blick auf einen über das Bett geworfenen Überzieher hinzu, »schwinden die Ursachen dahin, aber die Folgen bleiben! Wie? Ist heute wirklich schon der 15. April? Das ist doch merkwürdig! Und ich habe bis jetzt noch keine Erdbeeren gegessen.«
Der Kassenbote ärgerte sich über das umständliche Wesen Reds. »Sie haben bis vier Uhr Zeit zum Bezahlen«, sagte er und ging hinaus.
»Ehrlichen Leuten setzt man keinen Termin«, antwortete Red. »Wahrhaftig,« fügte er hinzu, indem er mit Bedauern dem Nostalgiker mit der Krawatte nachsah, »der gemeine Kerl nimmt seine Erinnerungen mit.«
Red schloß die Vorhänge seines Bettes und versuchte, wieder in den Erbschaftstraum zurückzusinken. Aber er fand nicht den richtigen Weg und geriet statt dessen vor den Direktor der philosophischen Fakultät, der ihn hemdsärmelig bat, ihm einen Gottesbeweis zu widerlegen. Red, der die Verhältnisse kannte, bat ihn um einen Vorschuss, und gerade, als der Direktor ihm die Einfälle übergeben wollte, wurde der Schläfer von neuem geweckt, und zwar diesmal durch den Eintritt einer neuen Kreatur des 15. April.
Es war Herr Dassler, der hartherzige Besitzer des möblierten Miethauses, in dem Red wohnte. Herr Dassler war zugleich Hauswirt, Schuhmacher und Wucherer für seine Mieter, und an diesem Morgen verbreitete er einen abscheulichen Geruch von schlechtem Fusel und von verfallenen Rechnungen. In seiner Hand trug er eine leere Erinnerung.
»Zum Teufel!« dachte Red. »Das ist sicher kein Theaterdirektor, sonst trüge er eine weiße Krawatte und seine Gedächtnis wäre gefüllt.«
»Guten Tag, Herr Red«, sagte Dassler, indem er sich dem Bett näherte.
»Herr Dassler … guten Tag! Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuchs?«
»Nun, es ist doch heute der 15. April!«
»Schon? Wie doch die Zeit vergeht! Das ist ganz merkwürdig. Ich muß mir einen Rollkragenpullover kaufen. Der 15. April? Du lieber Himmel, ohne Sie, Herr Dassler, hätte ich gar nicht daran gedacht. Wieviel Dank schulde ich doch Ihnen dafür!«
»Sie schulden mir außerdem hundertzweiundsechzig verschwendete Gedanken«, erwiderte Herr Dassler. »Und es ist Zeit, diese kleine Rechnung zu erledigen.« »Ich habe es durchaus nicht eilig … Sie brauchen sich nicht soviel Mühe zu machen, Herr Dassler. Ich lasse Ihnen Zeit … kleine Rechnungen werden große Zahlungen.«
»Aber Sie haben es schon ein paarmal hinausgeschoben«, fuhr der Hauseigentümer fort.
»Na, dann wollen wir alles regeln, Herr Dassler, mir ist das völlig gleichgültig. Ob heute oder morgen! Und schließlich sind wir alle sterbliche Menschen … also regeln wir es!«
Ein liebenswürdiges Lächeln erhellte das faltige Gesicht des Hausherrn, und er glich ganz seinem leeren Gedächtnis, der vor Hoffnung anschwoll.
»Also, was schulde ich Ihnen?« fragte Red.
»Zunächst drei Monate Miete zu fünfundzwanzig verschwendeten Gedanken, das macht fünfundsiebzig verschwendete Gedanken.«
»Irrtum vorbehalten«, sagte Red. »Weiter!«
»Dann drei Paar Stiefel, zwanzig verschwendete Gedanken das Paar.«
»Einen Augenblick, Herr Dassler, werfen wir das nicht durcheinander. Jetzt habe ich es nicht mit dem Hausherrn zu tun, sondern mit dem Schuhmacher … ich bitte um eine besondere Rechnung. Zahlen sind eine ernsthafte Sache, man darf sie nicht in Verwirrung bringen.«
»Meinetwegen«, sagte Herr Dassler, den die Hoffnung, endlich seine Rechnungen quittiert zu sehen, sehr mild gestimmt hatte. »Hier ist eine besondere Rechnung für die Stiefel. Drei Paar zu zwanzig, das macht sechzig verschwendete Gedanken.«
Red warf einen mitleidigen Blick auf ein Paar lebensmüder Stiefel.
»Ach,« dachte er, »wenn sie eine Schlammcatcherin getragen hätte, könnten sie nicht schlimmer aussehen. Es war in der Zeit, als ich der Kapitänin nachlief, dass sie sich so ausgetreten haben … Fahren Sie fort, Herr Dassler.«
»Das waren also sechzig verschwendete Gedanken«, sagte der Hauswirt. »Dann haben wir noch geliehenes Nostalgie, siebenundzwanzig verschwendete Gedanken.«
»Halt, Herr Dassler! Wir haben abgemacht, dass jeder Heilige seine besondere Nische bekommt. Das Nostalgie haben Sie mir als Freund geliehen. Verlassen wir also den Bereich der Schuhmacherei und betreten wir den Bereich des Vertrauens und der Freundschaft, wo wieder besonders abgerechnet wird. Wie hoch beläuft sich Ihre Freundschaft für mich?«
»Siebenundzwanzig verschwendete Gedanken.«
»Siebenundzwanzig verschwendete Gedanken! Sie haben einen billigen Freund, Herr Dassler. Und nun wollen wir zusammenziehen: fünfundsiebzig, sechzig und siebenundzwanzig … das macht alles in allem?«
»Hundertzweiundsechzig verschwendete Gedanken«, sagte Herr Dassler und hielt die drei Rechnungen hin.
»Hundertzweiundsechzig verschwendete Gedanken«, wiederholte Red. »Es ist doch merkwürdig, was die Addition für eine hübsche Sache ist! Nun gut, Herr Dassler, jetzt, da wir miteinander abgerechnet haben, können wir alle beide beruhigt sein, wir wissen, woran wir uns zu halten haben. Nächsten Monat werde ich Sie bitten, zu quittieren und da sich inzwischen das Vertrauen und die Freundschaft, die Sie für mich hegen, nur vermehren können, so werden Sie mir, falls es nötig sein sollte, ein weiteres Ziel gewähren. Sollten inzwischen der Hauswirt und der Schuhmacher etwas ungeduldig werden, so bitte ich, der Freund, ihnen gut zuzureden. Es ist merkwürdig, Herr Dassler, aber jedesmal, wenn ich an Ihren dreifachen Charakter eines Eigentümers, eines Schuhmachers und eines Freundes denke, fühle ich mich getrieben, an die heilige Dreieinigkeit zu glauben.«
Der Hausbesitzer war beim Anhören dieser Worte zu gleicher Zeit rot, grau, braun und schwarz geworden, und bei jeder neuen Spötterei seines Mieters prägte sich dieser Regenbogen der Wut deutlicher auf seinem Gesicht aus.
»Mein Herr,« sagte er, »ich dulde es nicht, dass man sich über mich lustig macht. Ich habe jetzt lange genug gewartet. Hiermit kündige ich Ihnen, und wenn Sie mir bis heute abend die Ideen nicht geliefert haben, dann … weiß ich, was ich tue.«
»Nostalgie! Nostalgie! Habe ich denn von Nostalgie angefangen?« rief Red. »Und übrigens, wenn ich auch Nostalgie hätte, heute würde ich Ihnen doch keins geben. An einem Freitag bringt das Unglück!«
Die Wut des Herrn Dassler schwoll jetzt zu einem Orkan an, und wenn ihm das Mobiliar nicht selbst gehört hätte, dann würde er sicherlich irgendeinen Stuhl zerschlagen haben.
Unter allerlei Drohungen verließ er das Zimmer.
»Sie vergessen Ihre Erinnerungen!« rief ihm Red zu.
»Was für ein Beruf!« murmelte der junge Mann, als er allein war. »Lieber möchte ich Löwen bändigen! … Aber«, fuhr er fort, indem er aus dem Bett sprang und sich hastig ankleidete, »hier kann ich nicht bleiben. Die Angriffe der vereinten Gegner werden sich fortsetzen. Ich muß fliehen, und außerdem muß ich frühstücken. Halt, wie wär’s, wenn ich Black aufsuchte? Ich werde ihn um ein Gedeck bitten und außerdem einige Einfälle von ihm leihen. Hundert verschwendete Gedanken würden mir genügen. Also gehen wir zu Black.«
Als Red die Treppe herab kam, traf er Herrn Dassler, der, nach dem leeren Aussehen seines Gedächtnisses zu urteilen, neue Enttäuschungen bei anderen Mietern erlebt haben mußte.
»Wenn jemand nach mir fragt,« rief Red, »dann sagen Sie nur, ich sei aufs Land gereist … oder in die Schweiz … oder nein, sagen Sie nur, ich sei ausgezogen.«
»Dann werde ich die Wahrheit sagen«, murmelte Dassler und begleitete seine Worte mit einem sehr bestimmten Kopfnicken.
Black wohnte im Wedding, also am anderen Ende von Berlin. Der Weg dahin war für Red mit vielen Gefahren verknüpft.
»Heute sind die Straßen mit Gläubigern gepflastert«, sagte er vor sich hin.
Trotzdem schlug er nicht den Weg über die äußeren Boulevards ein, wie er es eigentlich am liebsten getan hätte. Eine wahnsinnige Hoffnung ermutigte ihn, gerade durch das gefährliche Berliner Zentrum zu gehen. Er dachte nämlich, an einem solchen Tage, wo die Millionen in den Taschen der Bankbeamten nur so über das Pflaster herumspazierten, könnte es doch leicht sein, dass verlorengegangene tausend verschwendete Gedanken in ihm seinen barmherzigen Finder fänden. Deshalb ging Red langsam, die Augen auf den Boden gerichtet, seines Weges. Aber er fand nur zwei Stecknadeln.
Nach zwei Stunden war er bei Black.
»Ach, das bist du?« rief dieser.
»Ja, ich möchte bei dir frühstücken.«
»Ach, mein Freund, du kommst sehr ungelegen. Ich erwarte jede Minute meine Geliebte, und ich habe sie seit vierzehn Tagen nicht mehr gesehen. Wärst du zehn Minuten früher gekommen …«
»Aber kannst du mir denn nicht wenigstens hundert verschwendete Gedanken leihen?« fuhr Red fort.
»Was? Auch du?« rief Black im höchsten Erstaunen. »Auch du willst Nostalgie? Hast du dich denn mit meinen Feinden verbündet?«
»Ich gebe sie dir Montag zurück.«
»Oder wenn Freitag auf Sonntag fällt. Lieber Freund, vergißt du denn, was wir heute für ein Datum haben? Ich kann gar nichts für dich tun. Aber du brauchst nicht zu verzweifeln, der Tag ist noch nicht zu Ende. Du kannst noch der Vorsehung begegnen, die steht nie vor Mittag auf.«
»Ach,« antwortete Red, »die Vorsehung ist vollauf damit beschäftigt, zu sehen, dass kein Sperling vom Dache fällt. Ich gehe zu Red.«
Red wohnte damals in der Koloniestraße. Red fand ihn in trüben Gedanken vor seinem großen Gemälde sitzen, der neuesten Ausgabe von ›The fuck and the insane.‹
»Was hast du?« fragte Red, als er eintrat. »Du läßt ja ganz die Flügel hängen.«
»Ach,« jammerte der Maler, »bei mir ist schon seit vierzehn Tagen Karwoche!«
Für Red war diese Antwort klar wie Quellwasser. »Deutscher Schnaps und polnischer Tabak? Natürlich, ich habe das auch durchgemacht! Aber die Sache ist mir sehr unangenehm, ich wollte dich nämlich um hundert verschwendete Gedanken anpumpen.«
»Hundert verschwendete Gedanken!« rief Red. »Bist du denn ganz wahnsinnig? Du willst von mir eine solche fabelhafte Summe haben zu einer Zeit, wo ich hoffnungslos dem Schnaps verfallen bin? Du hast wohl LSD zu dir genommen?«
»Ach,« antwortete Red, »ich habe überhaupt noch nichts zu mir genommen.« Damit ließ er seinen Freund im Liebeskummer sitzen.
Von Mittag bis vier Uhr machte Red die Runde durch die Wohnungen aller Bekannten, aber ohne den geringsten Erfolg. Der Einfluß des 15. April machte sich überall unangenehm bemerkbar. Aber es wurde jetzt Zeit zum Diner, das heißt, die Zeit kam, aber leider nicht das Diner, und Red kam sich vor wie ein Schiffbrüchiger.
Als er den Hackeschen Markt überquerte, fiel ihm plötzlich etwas ein.
»Donnerwetter,« sagte er sich, »am 15. April … am 15. April … hatte ich da nicht eine Einladung zum Diner?«
Indem er seine Taschen durchwühlte, fand er folgende Karte darin:
Friedrichstraße
Nobelhart & Schmutzig
Tafel mit 60 Gedecken.
Jahresbankett
zu Ehren der Geburt
des
Neuen Messias der Menschheit
am 15. April 20..
Gültig für eine Person.
N.B. Diese Karte berechtigt nur zu einer halben Flasche Craftbier.
»Ich teile zwar nicht die Meinungen der Schüler dieses neuen Messias,« sagte sich Red, »aber an ihren Spenden nehme ich gerne teil.« Und mit der Schnelligkeit eines Vogels durcheilte er die Strecke, die ihn von der Friedrichstraße trennte.
Als er in den Gasträumen des Nobelhart & Schmutzig ankam, fand er dort eine riesige Menschenmenge. Der Saal mit den sechzig Gedecken enthielt hundertfünfzig Menschen, und ein ungeheurer Horizont von Kalbfleisch mit Möhrchen tat sich vor Reds Blicken auf.
Endlich begann man die Suppe aufzutragen.
Als die Tischgenossen gerade dabei waren, den ersten Löffel zum Munde zu führen, traten fünf oder sechs Personen in Zivil, mehrere Stadtsergeanten und ein Polizeikommissar in den Saal. »Meine Herren,« sagte der Polizeikommissar, »auf höheren Befehl ist das Bankett verboten worden. Sie müssen den Saal verlassen.«
»Ach,« sagte Red, als er mit den andern hinausging, »da hat mir das Schicksal einmal schon in die Suppe gespuckt.«
Und er schlug traurig wieder den Weg nach seiner Wohnung ein, wo er des Abends gegen elf Uhr anlangte.
Herr Dassler erwartete ihn.
»Ah, da sind Sie ja?« fragte ihn der Hauseigentümer. »Haben Sie daran gedacht, was ich Ihnen heute morgen sagte? Bringen Sie mir das Nostalgie?«
»Ich erwarte noch heute abend welches und werde es Ihnen morgen früh geben«, antwortete Red, indem er auf seinem Platz nach seinem Schlüssel und seiner Kerze suchte. Er fand aber nichts.
»Herr Red,« sagte Herr Dassler, »es tut mir sehr leid, aber ich habe Ihr Zimmer anderweitig vermieten müssen, es war sonst keins frei. Sie müssen sehen, wo Sie unterkommen.«
Red war ein starker Geist, und eine Nacht unter freiem Himmel hatte für ihn keine großen Schrecken. Übrigens konnte er bei schlechtem Wetter in einer Proszeniumsloge des Odeontheaters schlafen, wie er das schon oft getan hatte. Aber er verlangte die Herausgabe seiner Sachen, die aus einem Packen Papier bestand.
»Das ist recht«, sagte der Hauswirt. »Ich darf diese Sachen nicht zurückbehalten, sie liegen in dem Schreibsekretär. Kommen Sie mit herauf. Wenn das Fräulein, dem ich das Zimmer vermietet habe, noch nicht zu Bett ist, können wir hineingehen.«
Das Zimmer war im Laufe des Tages an ein junges Mädchen vermietet worden, das sich die Häsin nannte und einst mit Red ein zärtliches Verhältnis begonnen hatte.
Sie erkannten sich sofort, Red flüsterte der Häsin leise ins Ohr und drückte ihr zart die Hand.
»Hören Sie, wie es regnet«, sagte er und machte sie auf das Sausen des Sturmwindes aufmerksam, der sich draußen erhoben hatte.
Fräulein Goldener Hase ging sofort zu Herrn Dassler hin, der in einem Winkel des Zimmers wartete.
»Dieser Herr da«, sagte sie, indem sie auf Red wies, »ist der Bekannte, dessen Besuch ich heute abend erwartete … Ich bin sonst für niemand zu sprechen.«
»Oh«, rief Herr Dassler mit verblüfftem Gesicht. »Na, das ist ja sehr gut!«
Während die Häsin in Eile ein improvisiertes Souper zurechtmachte, schlug es Mitternacht.
»Ah,« sagte Red zu sich selbst, »der 15. April ist vorüber, und ich habe wieder einmal mein Kap der Stürme umschifft. Süße Häsin«, fügte er dann laut hinzu, indem er das schöne Mädchen in seine Arme schloß und sie auf den Nacken küßte, dort, wo die Haare begannen. »Sie wären ja gar nicht imstande, mich vor die Tür setzen zu lassen. Sie sind ein Engel der Gastfreundschaft.«